Liebe Kolpingschwestern und –brüder,

 

vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass es auch an den ersten beiden Maisonntagen keine Gottesdienste geben wird. Eine komische Zeit. Selbst Ostern keine Gottesdienste. Mir war noch nie bewusst, wie wichtig mir gerade diese Gottesdienste sind. Wenigstens gab es für die Karwoche und Ostern geistliche Impulse aus unserer Pfarrei. Und irgendwie hänge ich doch in der Luft…

 

Der Verstand beginnt die Situation zu fassen. Habe ich anfangs noch gehofft, mit ein paar Wochen oder wenigen Monaten Disziplin ist die Seuche zu bewältigen, wird jetzt immer deutlicher: wirklich ändern wird die Situation erst ein guter und weltweit verfügbarer Impfstoff. Und dies sicherlich nicht mehr in diesem Jahr. Die Orte der Begegnung werden mehr werden. Mehr Geschäfte werden öffnen, Spielplätze und Schulen, Gaststätten und Kinos, Kirchen mit Gottesdiensten. Aber die Abstandsregeln werden bleiben und in alle Bereiche transformiert. Und die Maskenpflicht kommt in diesen Tagen. Mehr Begegnung – und im Gegenzug mehr Abstand dabei, damit die Infektionszahlen in beherrschbarem Rahmen bleiben.

 

Und was machen wir? Nur zu gerne möchte ich anfangen, unser Programm umzusetzen. Messe und Frühstück des Josef-Schutzfestes nachholen. Aber wie könnte so ein Frühstück aussehen? Jeder sitzt an seinem eigenen Tisch? Wir gehören fast alle zu Risikogruppen, nicht auszudenken, wenn etwas schief ginge…

Wie denkt Ihr darüber? Meldet euch doch einfach mal bei mir oder einem anderen Vorstandsmitglied. Wir werden uns sicherlich bald mit einer kleinen Gruppe in einem großen Raum treffen. Oder wir sehen uns doch schon recht bald wieder in und nach einem Gottesdienst.

Ich grüße euch herzlich im Namen des ganzen Vorstandes und freue mich, dass unser Präses Joachim auch noch ein paar Gedanken für euch hat.

Treu Kolping

Liebe Schwestern und Brüder!

Der gewaltsame Tod Jesu ist die größte Glaubens- und Hoffnungskrise, die wir uns vorstellen können. Wie fühlten sich die Jünger, Anhänger und Sympathisanten von Jesus? Der Sohn Gottes war gestorben, brutal aus dem Leben gerissen. Alle Hoffnungen auf eine bessere Zukunft schienen verloren. Aber, wie wir Christen seit Ostern wissen: Die Liebe glaubt alles, hofft alles, erträgt alles, die Liebe hört niemals auf.

Und in der aktuellen Krisenzeit? Glauben wir, hoffen wir, lieben wir? Oder hält uns die Corona-Krise mit ihren Fesseln der Angst gefangen? Unsicherheit, Bedrohung, Krankheit und Tod machen Angst, das ist deren Stärke. Und viele Menschen spielen mit dieser Angst, nutzen sie aus, um ihre Macht zu festigen und ihre Mitmenschen in Abhängigkeit zu führen. Auch wir Christen kennen leider diese Mechanismen, sei es aus eigener Erfahrung, sei es, weil wir sie vielleicht selber schon mal genutzt haben:
Die Angst vor einem strafenden Gott, oder genauer, einem unbarmherzigen Gott.
Selbst das harmlose „Der liebe Gott sieht alles“ meint im Grunde nichts anderes als „Achtung, sonst wird Gott dich bestrafen.“

Wenn wir über Angst reden, dann müssen wir auch nach dem Ursprung fragen und dieser liegt im Sündenfall nach der Schöpfungsgeschichte:

Als sie Gott, den Herrn, im Garten gegen den Tagwind einherschreiten hörten, versteckten sich Adam und seine Frau vor Gott, dem Herrn, unter den Bäumen des Gartens. Gott, der Herr, rief Adam zu und sprach: Wo bist du? Er antwortete: Ich habe dich im Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich.“ (Gen 3,8-10)

Die Furcht, die Angst tritt in die Weltgeschichte ein, und sie hat sie nicht wieder verlassen. Der Mensch verbirgt sich nicht wegen seiner Nacktheit, sondern aus Angst vor Gott. Er folgt seiner einfachen Logik von Sünde und Bestrafung. Das Gott barmherzig ist, ist für ihn keine Möglichkeit. Seine Angst macht es dem Menschen unmöglich, mit Gott auf Augenhöhe zu kommunizieren, vielmehr meint er, sich rechtfertigen zu müssen. (Bei der Kommunionausteilung wird der Leib Christi kurz auf Augenhöhe des Empfängers gehoben, als Zeichen der Versöhnung und der Kommunikation auf Augenhöhe).

Der Sündenfall ist somit nicht die Missachtung eines Verbotes, sondern die Verkehrung des wahren Wesens Gottes durch die Schlange: „Gott ist nicht ehrlich zu euch, er misstraut euch, deshalb hält er euch das Beste vor“. Adam und Eva lassen sich zu diesem Gottesbild verleiten, dass alles auf den Kopf stellt:
Ein Gott, der dem Menschen etwas wegnimmt - und nicht, der sie überreich beschenkt.
Ein Gott, der Freiheiten nimmt - und nicht, der sie erst ermöglicht.
Ein Gott, dem sein Gebot wichtiger ist, als die Liebe zu seinen Kindern.
Ein Richter, vor dem man sich fürchten muss - und nicht einer, zu dem hin der Mensch sich flüchtet.

Es ist daher wichtig, in Krisenzeiten aufmerksam zu sein: Lass ich mich von einer „Schlange“ verführen, mein Gottesbild zu verkehren, weil die Krise doch einer Logik folgen muss, am einfachsten der von Sünde und Strafe? Oder bin ich selber eine „Schlange“ und verbreite ein falsches Gottesbild, ein Bild der Bestrafung und Unbarmherzigkeit gegenüber Sündern und Ungläubigen?

Unser Gott ist die Barmherzigkeit, ein befreiender Gott. Er macht uns frei von der Angst. Achten wir also auf unser Gottesbild, denn nur so bleiben wir furchtlos und können Anderen Ängste nehmen.

Unentwegt spricht Gott uns Mut zu, von den ersten Seiten der Bibel bis zum Schluss ruft er: „Habt keine Angst! Fürchtet euch nicht!“

Es heißt, in der Bibel findet sich diese Ermutigung 365 Mal, für jeden Tag des Jahres einmal. Bei jedem Tagesanbruch spricht somit Gott uns zu: „Mein Kind, hab keine Angst, fürchte dich nicht. Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus der Sklaverei der Angst herausführt.“

 

Eutin, 29.04.2020, Diakon Joachim Siebrecht